Karlsruhe stoppt einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht sieht aber offene Fragen

Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht /picture alliance, Uli Deck

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einen Eilantrag abgelehnt, der gefordert hat, das Gesetz zur Ein-f?hrung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorl?ufig auszusetzen. Der Erste Senat in Karlsruhe lehnte das gestern ab (Az.: 1 BvR 2649/21).

Die abschliessende Pr?fung der Ver-fassungsm?ssigkeit bleibt dem Haupt-sacheverfahren vorbehalten. Zu-n?chst kann damit aber die Impf-pflicht f?r Personal in medizinischen Bereich und der Pflege am 15. M?rz in Kraft treten.

Die Verabschiedung der Impfpflicht in Bundestag und Bundesrat Mitte Dezember des vergangenen Jahres hatte eine Klagewelle in Karlsruhe ausgel?st. Bis zum 3. Februar dieses Jahres waren 74 Verfassungsbe-schwerden von rund 300 Kl?gern eingegangen, viele davon mit Eilantr?gen. Geklagt haben ?berwiegend ungeimpfte Be-sch?ftigte und auch Einrichtungsleiter, die weiter ungeimpftes Personal besch?ftigen wollen.

Die Richter nahmen im Eilverfahren eine Folgenabw?gung vor. Sie pr?ften, was die schlimmeren Konse-quenzen h?tte: Wenn sie erst einmal das Gesetz in Kraft treten lassen, obwohl die Klagen berechtigt w?-ren - oder wenn sie die einrichtungsbezogene Impfpflicht vor?bergehend aussetzen und sich diese sp?-ter als verfassungsgem?ss herausstellt.

Diese Abw?gung ging zum Nachteil der Kl?ger aus. ,,Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravieren-den Folgen einer Impfung steht die deutlich h?here Wahrscheinlichkeit einer Besch?digung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegen?ber", teilte das Gericht heute mit. Die Impfpflicht begegne ,,zum Zeit-punkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken".

Die Pandemie ist den Richtern zufolge nach wie vor durch eine besondere Infektionsdynamik mit hohen Fallzahlen gepr?gt, mit der eine grosse Infektionswahrscheinlichkeit und dadurch ein entsprechend ho-hes Gef?hrdungspo-tenzial f?r vulnerable Personen einhergeht.

F?r diese ist auch im Hinblick auf die Omikronvariante des Virus weiterhin eine m?glichst fr?hzeitige Unterbrechung von ?bertragungsketten besonders wichtig, wie Sachverst?ndige weitgehend ?berein-stimmend gesagt h?tten.

Insoweit ist dem Ersten Senat nach auch zu ber?cksichtigen, dass sich gerade vulnerable Personen grunds?tzlich nur eingeschr?nkt selbst gegen eine Infektion sch?tzen k?nnen und sie zudem auf die Inanspruchnahme der Leistungen, die die der Gesundheit und Pflege dienenden Einrichtungen und Unternehmen erbringen, angewiesen sind.

Folgeabw?gung

Bei der Folgenabw?gung der jeweils zu erwartenden Nachteile muss aus Sicht des Gerichts ,,das Interes-se der Beschwerdef?hrenden zur?cktreten, bis zur Entscheidung ?ber die Verfassungsbeschwerde wei-terhin ungeimpft in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen t?tig sein zu k?nnen".

Die Richter wiesen aber auch darauf hin, dass eine Impfung das k?rperliche Wohlbefinden ,,jedenfalls vor?bergehend" beeintr?chtigen kann. Im Einzelfall k?nnten auch schwerwiegende Impfnebenwirkungen eintreten, die im extremen Ausnahmefall auch t?dlich sein k?nnten. Eine erfolgte Impfung sei auch im Falle eines Erfolgs der Verfassungsbeschwerde irreversibel.

Allerdings verlange das Gesetz den Betroffenen nicht unausweichlich ab, sich impfen zu lassen, so das Gericht. F?r jene, die eine Impfung vermeiden wollten, k?nne dies zwar vor?bergehend mit einem Wech-sel der bislang ausge?bten T?tigkeit oder des Arbeitsplatzes oder sogar mit der Aufgabe des Berufs ver-bunden sein.

,,Dass die in der begrenzten Zeit bis zur Entscheidung ?ber die Verfassungsbeschwerde m?glicherweise eintretenden beruflichen Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind oder sonst sehr schwer wiegen, haben die Beschwerdef?hrenden jedoch nicht dargelegt; dies ist auch sonst - je-den-falls f?r den genannten Zeitraum - nicht ersichtlich", erkl?rte der Erste Senat.

Die Richter merkten in Bezug auf den Gesetzgeber allerdings kritisch an, dass im Gesetz nichts Genaue-res zum Impf- und Genesenen-nach-weis steht. Es werde lediglich auf eine Verordnung mit weiteren Ver-weisen auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des Robert-Koch-Instituts (RKI) verwiesen. Diese Vorgehensweise stellten die Richter infrage.

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Die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll alte und geschw?chte Menschen vor einer Anste-ckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 sch?tzen, die ein besonders hohes Risiko haben, sehr schwer zu erkranken oder daran zu sterben.

Sie gilt f?r Besch?ftigte in Pflegeheimen und Krankenh?usern, aber zum Beispiel auch in Arztpraxen und bei ambulanten Diensten, f?r Hebammen, Physiotherapeuten und Masseure. Sie alle m?ssen bis 15. M?rz 2022 nachweisen, dass sie vollst?ndig geimpft oder k?rzlich genesen sind.

Neue Besch?ftigte ben?tigen den Nachweis ab dem 16. M?rz von vornherein. F?r Menschen, die sich aus medi-zinischen Gr?nden nicht impfen lassen k?nnen, gilt eine Ausnahme. Fehlt der Nachweis, muss das Ge-sundheitsamt informiert werden, um den Fall zu untersuchen. Es kann Geldbussen anordnen und dem Betroffenen verbie-ten, die Einrichtung zu betreten oder seine T?tigkeit weiter auszu?ben.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begr?sste die Entscheidung aus Karlsruhe. ,,Das Bun-des-verfassungsgericht setzt richtige Priorit?t. Der Geimpfte tr?gt ein minimales Risiko der Nebenwirkung. Damit sch?tzt er ?ltere und Kranke, die ihm anvertraut sind, vor Tod und schwerer Krankheit. Auch Omi-kron ist eine Gefahr f?r diese Menschen", twitterte er heute.

Die Fraktionsvorsitzende der Gr?nen, Britta Hasselmann, sieht in der Eilentscheidung ,,ein Zeichen f?r den Schutz ?lterer und vulnerabler Menschen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen". Sie begr?sse ausdr?cklich, dass das Gericht mit seiner Abw?gung der betroffenen Grundrechte f?r diesen konkreten Fall die ver-fas-sungsm?ssigen M?glichkeiten aufgezeigt habe und sehe der Entscheidung in der Hauptsache entgegen.

Die Einf?hrung der einrichtungesbezogenen Impfpflicht hatte in den vergangenen Tagen zu heftigem Streit zwischen Bayern und dem Bund gef?hrt, weil Bayerns Ministerpr?sident Markus S?der (CSU) an-gek?ndigt hatte, den Vollzug zun?chst auszusetzen zu wollen. Er hatte offene Fragen bei der Umsetzung bem?ngelt.

Bayern sieht sich trotz des gescheiterten Eilantrags best?tigt. Das Gericht habe klar gesagt, dass be-stimmte Fragen in dem Gesetz zu kl?ren seien, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) heute. ,,Deshalb best?tigt das im Prinzip genau die Linie der bayerischen Staatsregierung."

Auch von anderer Seite hatte es immer wieder Be-denken gegeben, dass die Pr?fung der einzelnen F?lle durch die Gesundheits?mter kaum zu leisten sei. Ausserdem wird bef?rchtet, dass die Durchsetzung zu grosse L?cken beim Pflegepersonal reisst. (C) may/kna/dpa/aerzteblatt.de

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