Novalis Poetisierung der Welt

F?r Novalis war die Aufkl?rung die Zeit eines ,,mathematischen Gehorsams", ,,in der die Welt alles bunten Schmucks entkleidet wurde". Der Dichter lehnte diesen Willen zum universellen Zweckrationalismus ab und empfahl, den Mikrokosmos der Einbildungskraft und der Fantasie zu erkunden.

Fr?he Liebe

Geboren wurde Novalis am 2. Mai 1772 als Sohn einer adeligen Familie in Oberwiederstedt nahe Halle an der Saale. Sein eigentlicher Name war Friedrich von Hardenberg. Erst sp?ter, nach der Ver?ffentlichung seiner poetischen Werke, nannte er sich Novalis - ,,einer, der Neuland bestellt". Er studierte Rechtswissenschaften in Jena und absolvierte in der th?ringischen Kleinstadt Tennstedt eine Ausbildung zum Verwaltungsbeamten.

?1-Sendungshinweis

Die Poetisierung der Welt. Zum 250. Geburtstag des Dichters und Philosophen Novalis, ?1-Dimensionen, 2. Mai 2022, 19.05

Hier lernte er die erst zw?lfj?hrige Sophie von K?hn kennen, mit der er sich 1795 heimlich verlobte und die bereits im M?rz 1797 verstarb. Dieser Verluste ersch?tterte ihn zutiefst und liessen Suizidgedanken aufkommen. Ein spezielles Dokument dieser existenziellen Krise sind die im Jahr 1800 ver?ffentlichten ,,Hymnen an die Nacht", in denen geschildert wird, wie der trauernde Dichter am Grab seiner Geliebten in eine tiefe Depression verf?llt.

Zitat: ,,Abw?rts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt - in eine tiefe Gruft versenkt - w?st und einsam ist ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen."

,,D?mmerungsschauer" des Transzendenten

Die Sehnsucht, der Geliebten in den Tod zu folgen, wurde von einem allm?hlichen Sinneswandel abgel?st. Das trauernde Ich versp?rte eine Ahnung, ,,einen D?mmerungsschauer" des Transzendenten. In weiterer Folge breitete sich dieses ozeanische Gef?hl aus und es kam zu einer kurzfristigen Verschmelzung mit dem Absoluten, in der die Teilhabe am ewigen Sein erfolgt.

Novalis schrieb: ,,Unendliches Leben/Wogt m?chtig in mir/Ich f?hle des Todes/Verj?ngende Flut/Zu Balsam und ?ther/Verwandelt mein Blut/Ich lebe bei Tage/Voll Glauben und Mut/Und sterbe die N?chte/In heiliger Glut."

Studien zu Fichte

Nach dem Tod von Sophie von K?hn vertiefte sich Novalis in die philosophischen Werke von Johann Gottlieb Fichte. In seiner Schrift ,,Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre" zeigte Fichte, wie das Ich sich selbst bestimmt oder ,,setzt". Dieses Ich ist mit einer Welt des ,,Nicht-Ich" konfrontiert, die ihm als Aussenwelt, als Objekt gegen?bersteht.

So entsteht ein Bruch, ein ,,Riss im Sein", der sich in der Trennung von Subjekt und Objekt artikuliert. Der Welt des Gegenst?ndlichen, Objektiven steht das Subjekt gegen?ber; der Gegensatz scheint un?berbr?ckbar zu sein. Fichtes Schriften boten f?r Novalis zahlreiche Anregungen, die er stark modifizierte.

Romantisierung der Welt

Angeregt daf?r wurde Novalis von der fr?hromantischen Bewegung, zu der die Br?der August Wilhelm und Friedrich Schlegel, der Dichter Ludwig Tieck und der Religionsphilosoph Friedrich Schleiermacher z?hlten. Das Ziel dieser Dichtergruppe war die Verm?hlung von Dichtung, Philosophie und Lebenspraxis. Die Welt sollte nach der Entzauberung durch die Aufkl?rung wieder verzaubert - romantisiert werden.

In den Worten von Novalis: ,,Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gew?hnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die W?rde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es."

Roman ,,Heinrich von Ofterdingen"

Die literarische Umsetzung dieses Projekts erfolgte im Roman ,,Heinrich von Ofterdingen", der unvollendet blieb. Erz?hlt wird die Entwicklung eines J?nglings zum Dichter, wobei die Tr?ume, Fantasien, Begegnungen mit m?rchenhaften Gestalten und die Sehnsucht nach dem Absoluten zentrale Themen sind.

Der handlungsarme Roman spielt in einer idealisierten Epoche des Mittelalters und schildert eine Expedition in unbewusste Zonen des Protagonisten Heinrich von Ofterdingen. Der Roman beginnt mit der Vision der blauen Blume - dem Symbol der fr?hromantischen Dichtung - die der J?ngling im Traum erlebt:

,,Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zun?chst an der Quelle stand, und ihn mit ihren breiten, gl?nzenden Bl?ttern ber?hrte. (...). Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Z?rtlichkeit."

Poetische Liebe

Nach dem Aufwachen begibt sich Heinrich auf eine Reise nach Augsburg, die ihn zu seinem Grossvater f?hren sollte. Dort wird er von seinem Grossvater herzlich empfangen und dem Dichter Klingsohr und seiner Tochter Mathilde vorgestellt, in die er sich leidenschaftlich verliebt. Die Liebe zu ihr kann nicht prosaisch beschrieben werden, sondern bedarf einer eigenen Poesie, die aus der Einbildungskraft, der Fantasie entspringt.

Dichter, Philosoph, Salineningenieur

Novalis f?hrte eine ,,Doppelexistenz". Dichtung und Philosophie waren zwar Schwerpunkte in seinem Leben; beruflich arbeitete er als Salineningenieur und nahm Studien an der Bergakademie in Freiberg auf, um sich in den naturwissenschaftlichen F?chern Geologie, Bergbaukunde, Chemie und Mathematik weiterzubilden. Das facettenreiche, intensive und produktive Leben von Novalis fand ein fr?hes Ende.

Er starb am 25. M?rz 1801 in Weissenfels nach einem Blutsturz, der durch die Tuberkulose verursacht wurde. Einer seiner letzten S?tze lautete: ,,Religion ist der grosse Orient in uns, der selten getr?bt wird. Ohne sie w?re ich ungl?cklich. So vereinigt sich Alles in Einen grossen friedlichen Gedanken, in Einen stillen ewigen Glauben."

Nachfahren in Anarchismus und Surrealismus

Novalis Projekt einer ,,Poetisierung der Welt" war keineswegs eine singul?re Episode, sondern wurde von anarchistischen Kommunarden wie Erich M?hsam oder Gustav Gr?ser am Monte Verit? in Ascona fortgesetzt. Es tauchte bei den Surrealisten um Andr? Breton auf, deren Ideal ,,eine konvulsivische Sch?nheit" war. Und die franz?sische Protestbewegung von Mai 68 skandierte ,,Fantasie an die Macht".

Gemeinsam war diesen unterschiedlichen Gruppierungen, ,,der Wille zur Transgression" der Alltagswelt. Das Gr?ndungsdokument daf?r hatte bereits Novalis enger Freund Friedrich Schlegel formuliert, der die Forderung nach einer ,,progressiven Universalpoesie" erhob:

,,Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialit?t und Kritik, Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen."

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